Seiten

Freitag, 31. Dezember 2010

Viele Wohnungen sind nichts für Ältere

Der Anteil der Senioren an der Bevölkerung wächst, doch viele Wohnungen sind nicht altersgerecht. Der Umbau liegt auch im Interesse der Branche.
In Deutschland werden die Wohnungen knapp. Das erscheint angesichts der schrumpfenden Bevölkerung paradox. Doch für ältere Menschen wird es immer schwieriger, eine passende Bleibe zu finden. Gerade mal ein Prozent aller Wohnungen sind derzeit altersgerecht, schätzt der Bundesverband freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Dabei leben heute bereits in rund 28 Prozent aller Haushalte Personen, die 65 Jahre und älter sind. Und bis 2050 wird ihr Anteil auf fast 44 Prozent steigen.
Der altersgerechte Umbau ist neben der energetischen Sanierung das bestimmende Thema für die Immobilienwirtschaft in den nächsten Jahren. "Ohne eine seniorengerechte, barrierearme Wohnung werden auch diejenigen ins Pflegeheim gehen müssen, die eigentlich gut zu Hause betreut werden könnten", warnt Klaus Wiesehügel, Bundesvorsitzender der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Doch es geht nicht nur um soziale Wohltaten, sondern auch um den wirtschaftlichen Erfolg der Eigentümer. Nur wer sich der neuen Nachfragesituation anpasst, findet Mieter, vermindert den Leerstand und erhält so den Gebäudewert.
Viele Hausbesitzer scheinen das noch zu verdrängen. "Zum großen Rundumschlag holen die wenigsten aus", sagt Ina Gronewold, Geschäftsführerin von Bau Vital, eines auf barrierefreies Bauen spezialisierten Unternehmens. Die meisten Eigentümer beschränkten sich auf den Umbau des Badezimmers.
Eine ebenerdige Dusche, mehr Haltegriffe und mehr Bewegungsfreiheit - das war's. An einen schwellenlosen Zugang wagten sich nur die wenigsten. Das sei das teuerste, aber im Grunde das A und O beim altersgerechten Umbau, so Gronewold. Dazu gehören etwa Rampen, breitere Türen und Flure, Fahrstühle sowie elektrische Bedienelemente. 
Die staatliche Förderbank KfW unterstützt seit 2004 Immobilienbesitzer beim altersgerechten Umbau, in diesem Jahr bewilligte sie dafür rund 100 Mio. Euro. Wer sein Haus umrüstet, kann über die Hausbank ein Förderdarlehen von bis zu 50.000 Euro pro Wohneinheit bei der KfW beantragen zu einem Effektivzins von 1,61 Prozent bei einer zehnjährigen Zinsbindung. Alternativ kann ein Zuschuss von fünf Prozent der Umbaukosten, maximal jedoch 2500 Euro pro Wohneinheit, direkt bei der KfW beantragt werden. Die Förderung steht nicht nur Eigentümern zu, auch Mieter können sie beantragen, sofern sie die Zustimmung des Vermieters für den Umbau haben. Wichtig: Der KfW-Antrag muss raus, bevor die Baumaßnahmen beginnen, eine nachträgliche Förderung ist nicht möglich.
Rolf Kornemann, Präsident der Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund, spricht von einer Herkulesaufgabe für seine Klientel. Zwar würden durch die KfW-Förderung Baumaßnahmen ermöglicht, die sonst unterblieben, so Kornemann. Inwieweit die Rechnung für die Vermieter aufgehe, hänge aber stets vom Einzelfall ab, etwa davon, welche Mieterhöhungen der regionale Wohnungsmarkt zulasse und ob es noch genügend Nachfrager gebe.
Denn auch die alten Menschen zieht es mehr und mehr zurück in die Städte. Darauf verweist Tobias Just, Immobilienexperte der Deutschen Bank. "Ballungszentren mit Zuzug, sprich Binnenwanderung, profitieren von Nachfragern, der strukturschwache Raum wird eher ausgespart." Just sieht bei Mehrfamilienhäusern mit mehr als sieben Wohneinheiten und alten Bestandsgebäuden, die nach dem Zweiten Weltkrieg preiswert gebaut wurden, das größte Potenzial. Doch auch Plattenbauten mit ihren geradlinigen Grundrissen und geringen baulichen Hürden könnten durch den altersgerechten Umbau wieder eine Renaissance erfahren, vorausgesetzt der Standort passe, so Just.
Weil die nachträgliche Umrüstung der Häuser sehr aufwendig und teuer ist, sollten Investoren auch bei Neubauten schon an später denken und beispielsweise breitere Flure und Aufzüge mit einplanen. Das macht die Häuser zugleich bei der jüngeren Klientel attraktiver. So profitieren beispielsweise Familien mit Kindern von breiteren Türen, wenn sie mit dem Kinderwagen in die Wohnung wollen.
Denn schließlich wissen auch die jüngeren Menschen einen besseren Komfort zu schätzen. "Selbst Studenten bevorzugen heute Fahrstühle", betont Just.

(C) FTD.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen