Der erforderliche Schallschutz in einer Wohnungseigentumsanlage
richtet sich grundsätzlich nach den Schutzwerten, die bei Errichtung des
Gebäudes gültig waren. Es gibt keinen allgemeinen Anspruch darauf, dass
ein vorhandener, die Mindestanforderungen überschreitender
Trittschallschutz beibehalten wird.
Hintergrund
Zwei Wohnungseigentümer streiten
darüber, welchen Trittschallschutz der Eigentümer der oben liegenden
Wohnung gewährleisten muss.
Das Gebäude wurde 1966 errichtet. Als der Eigentümer der Wohnung im
1. OG seine Wohnung erwarb, war die darüber liegende Wohnung im 2. OG in
Wohnzimmer und Flur mit Teppichboden ausgelegt. Nachdem der Mieter
ausgezogen war, ersetzte der neue Mieter den Teppichboden im Wohnzimmer
durch Laminat und im Flur durch Fliesen. Der neue Belag wurde jeweils
auf einer Schallschutzmatte auf dem ursprünglich vorhandenen
Parkettfußboden verlegt. In den übrigen Räumen befindet sich unverändert
ein Fliesenbelag.
Die Eigentümer der unteren Wohnung bemängeln,
dass es seit der Entfernung des Teppichbodens in ihrer Wohnung zu
unzumutbaren Lärmbelästigungen durch Tritt- und Luftschall komme. Sie
verlangen, dass der Eigentümer der oberen Wohnung einen verbesserten
Trittschallschutz einbaut.
Entscheidung
Der Eigentümer der oberen Wohnung kann keinen verbesserten Schallschutz verlangen.
Maßstab
für die sich zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des
Schallschutzes ergebenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG. Danach ist jeder
Wohnungseigentümer verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum
stehenden Gebäudeteilen, wozu auch der Oberbodenbelag gehört, nur so
Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer
über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus
ein Nachteil erwächst. Dabei muss ein Wohnungseigentümer für die
Aktivitäten seines Mieters einstehen.
Für die Beurteilung ist hier
die DIN 4109 heranzuziehen. Zwar bezeichnet die Regelung nur - zudem
rechtlich unverbindliche - Mindestanforderungen, die zur Vermeidung
unzumutbarer Belästigungen an den Schallschutz im Hochbau gestellt
werden. Der DIN 4109 kommt gleichwohl ein erhebliches Gewicht zu, soweit
es um die Bestimmung dessen geht, was die Wohnungseigentümer an
Beeinträchtigungen durch Luft- und Trittschall zu dulden haben.
Errichtungszeitpunkt ist maßgeblich
Maßgeblich
ist hier die Ausgabe von 1962 der DIN 4109, da sich der durch den
Eigentümer zu gewährende Schallschutz grundsätzlich nach den im
Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Schutzwerten richtet.
Spätere Änderungen der Werte, wie sie durch die Neufassung der DIN 4109
im Jahr 1989 vorgenommen wurden, bleiben auf das Verhältnis der
Wohnungseigentümer ohne Auswirkungen. Denn andernfalls wäre ein
Wohnungseigentümer zur Vermeidung ansonsten drohender Ansprüche der
übrigen Wohnungseigentümer gehalten, bei einer Erhöhung des
Schutzniveaus den vorhandenen Schallschutz durch nachträgliche Maßnahmen
zu verbessern. Eine derartige Verpflichtung sieht das Gesetz indes
nicht vor.
Renovierung gibt keinen Anspruch auf besseren Schallschutz
Der
Umstand, dass die Mieterin den vorhandenen Bodenbelag durch einen
anderen ersetzt hat, rechtfertigt es nicht, die zur Zeit der
Durchführung der Maßnahme geltende Ausgabe der DIN 4109 heranzuziehen.
Der Austausch des Bodenbelags betrifft ausschließlich die Ausstattung
der Wohnung. Nachhaltige Auswirkungen auf die Gebäudesubstanz ergeben
sich insoweit jedenfalls dann nicht, wenn in den unter dem Belag
befindlichen Estrich und die Geschossdecke - wie hier - nicht
eingegriffen wird. In diesem Fall bleiben die Anforderungen an den
Schallschutz unverändert. Eine bei den übrigen Wohnungseigentümern etwa
vorhandene Erwartung, aufgrund der Renovierungsarbeiten seien die
nunmehr geltenden Schallschutzwerte einzuhalten, wird - anders als bei
einer baulichen Veränderung des Gebäudes - nicht durch hinreichende
äußere Umstände begründet.
Auch der Umstand, dass in der oberen
Wohnung bislang ein Teppichboden verlegt war, hat für den Schallschutz
keine Bedeutung. Allerdings kann sich im Einzelfall ein höheres
Schutzniveau ergeben, als es durch die DIN 4109 festgelegt wird.
Voraussetzung hierfür ist, dass der Gemeinschaftsordnung Regelungen zum
Schallschutz zu entnehmen sind, die über den Mindeststandard
hinausgehen, oder dass die Wohnanlage aufgrund tatsächlicher Umstände,
wozu etwa die bei ihrer Errichtung vorhandene Ausstattung oder das
Wohnumfeld zählen, ein besonderes Gepräge erhalten hat.
Das ist
hier indes nicht der Fall. Der Teppichboden wurde erst nach Errichtung
des Gebäudes verlegt. Auf die Beibehaltung der dadurch geschaffenen
Schallsituation haben die Eigentümer der unteren Wohnung schon deshalb
keinen Anspruch, weil sich die Ausstattung im Hinblick darauf, dass der
Eigentümer in der Wahl des Bodenbelags frei ist, letztlich als zufällig
erweist.
Das gilt selbst dann, wenn der Belag über lange Zeit in
der Wohnung belassen wurde und wenn der Schallschutz mit diesem Belag
höher war. Hierdurch wird der Eigentümer in seiner Freiheit, was die
künftige Ausgestaltung seines Sondereigentums betrifft, nicht
eingeschränkt. Es gibt keinen allgemeinen Anspruch auf Beibehaltung
eines vorhandenen Trittschallschutzes, es gibt nur einen Anspruch
darauf, dass sich der Trittschall im Rahmen der schallschutztechnischen
Mindestanforderungen hält.
(BGH, Urteil v. 1.6.2012, V ZR 195/11)
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