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Mittwoch, 25. August 2010

BGH: Wohnungseigentümer können Heizkostenverteilung per Mehrheitsbeschluss ändern!

Wohnungseigentümer können eine Vereinbarung, nach der die Heizkosten zu 100 Prozent nach Verbrauch abgerechnet werden, durch einfachen Mehrheitsbeschluss ändern und die künftige Kostenverteilung der Heizkostenverordnung anpassen.

Hintergrund:
Die Mitglieder einer WEG hatten in einer Eigentümerversammlung am 26.8.2008 beschlossen, den Verteilungsschlüssel für die Heizkosten so zu ändern, dass diese ab 1.1.2009 zu 70 Prozent nach Verbrauch und zu 30 Prozent nach Wohnfläche abzurechnen sind.

Die Gemeinschaftsordnung, die bestimmt, dass der Verteilungsschlüssel mit drei Vierteln aller Stimmen geändert werden kann, sah ursprünglich eine Verteilung der Heizkosten je zur Hälfte nach Verbrauch und nach Wohnfläche vor. 1999 hatte die Eigentümerversammlung einstimmig beschlossen, die Heizkosten zu 100 Prozent nach Verbrauch zu verteilen.

Ein Eigentümer hat den Beschluss vom 26.8.2008, mit dem dies nun wieder geändert werden soll, angefochten.

Entscheidung:
Der BGH weist die Anfechtungsklage ab. Die Wohnungseigentümer konnten den Verteilerschlüssel für die Heizkosten durch einfachen Mehrheitsbeschluss ändern.

Nach § 16 Abs. 3 WEG können Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit beschließen, dass die Betriebskosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums im Sinne des § 556 Abs. 1 BGB, die nicht unmittelbar gegenüber Dritten abgerechnet werden, statt nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile nach Verbrauch oder Verursachung erfasst und nach diesem oder einem anderen Maßstab verteilt werden. Die genannte Vorschrift begründet die Kompetenz der Wohnungseigentümer, den Verteilungsschlüssel durch Mehrheitsbeschluss abweichend von dem gesetzlichen Maßstab, aber auch abweichend von einem durch die Wohnungseigentümer vereinbarten oder beschlossenen Verteilungsschlüssel zu regeln.

Diese Beschlusskompetenz kann durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer weder eingeschränkt noch ausgeschlossen werden (§ 16 Abs. 5 WEG). Entgegenstehende Bestimmungen in Gemeinschaftsordnungen sind unwirksam; das gilt auch dann, wenn sie, wie hier, bei Inkrafttreten der Neufassung von § 16 WEG am 1.7.2007 bereits bestanden haben.

Die Änderung des Verteilungsschlüssels entspricht auch ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Aufgabe eines Verteilungsschlüssels, der nicht der Heizkostenverordnung entspricht, ist nämlich in aller Regel, und so auch hier, als sachgerecht anzusehen.

Ein verbrauchsabhängig abzurechnender Kostenanteil von mehr als 70 Prozent begegnet Zweifeln im Hinblick auf die Verteilungsgerechtigkeit. Denn der von der Heizkostenverordnung vorgesehene Festkostenansatz von mindestens 30 Prozent beruht auf der Annahme, dass bis zu 30 Prozent der Gesamtkosten unabhängig vom individuellen Verbrauchsverhalten entstehen; zudem werden durch einen solchen Festanteil Vor- und Nachteile einzelner Nutzer nivelliert, welche sich aus der Lage ihrer Wohnung im Haus ergeben. Der Wunsch der Mehrheit, diese Umstände künftig zu berücksichtigen, stellt einen sachgerechten Grund für die Änderung des Verteilungsschlüssels dar.

(BGH, Urteil v. 16.7.2010, V ZR 221/09, veröffentlicht am 16.8.2010)

Grundstücksverkäufer können auf Steuerrückzahlung hoffen

Immobilieneigentümer, die ab 1999 Veräußerungsgewinne versteuern mussten, obwohl ihre Immobilien bereits zuvor aus der bis dahin geltenden zweijährigen Spekulationsfrist heraus gefallen waren, können auf Steuerrückzahlungen hoffen. Grundlage ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

1999 wurde die Spekulationsfrist für private Grundstücksgeschäfts von 2 auf 10 Jahre angehoben. Die neue Frist galt erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 1999. Das Gesetz bezog auch solche Immobilien mit ein, bei denen die zweijährige Spekulationsfrist bereits ausgelaufen war.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte nun diesen Teil des Gesetzes für verfassungswidrig und nichtig (Beschluss v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05). Der Gesetzgeber, so die Karlsruher Richter, hätte entweder alle Immobilien, bei denen die Spekulationsfrist bereits abgelaufen war, von der Neuregelung ausnehmen müssen. Oder aber er hätte bei solchen Immobilien nur Wertzuwächse besteuern dürfen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes am 31.3.1999 eingetreten waren.

Von der Entscheidung betroffen sind alle Verkäufe von Immobilien, in denen das Grundstück nach dem 31.12.1988 und vor dem 31.3.1997 angeschafft worden ist. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Frist für die Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen von Immobilien war dann zwar die alte zweijährige Frist abgelaufen, nicht aber die neue 10-Jahres-Frist. In all diesen Fällen sollte die Möglichkeit eines Einspruchs gegen den Einkommenssteuerbescheid geprüft werden. Im Erfolgsfall kann sich eine Herabsetzung von bereits gezahlter Einkommenssteuer ergeben.

Jürgen Michael Schick, Vizepräsident und Sprecher des Immobilienverbandes IVD, begrüßte den Karlsruher Richterspruch: „Das Bundesverfassungsgericht hat einem Ärgernis in der Steuerpolitik in Deutschland einen Riegel vorgeschoben. Gesetzliche Änderungen traten immer wieder auch rückwirkend in Kraft und haben dadurch Investoren verunsichert“.


Übersicht: Praktische Folgen der Entscheidung:
Grundstücksverkauf - Folgen aus der BVerfG-Entscheidung
bis Ende 1998: Hier gilt unverändert die 2-jährige Spekulationsfrist, die Entscheidung hat keine Auswirkungen.

zwischen 1.1. und 31.3.1999

Hier sind zwei Fälle zu unterschieden:
1. Die 2-jährige Spekulationsfrist war bereits abgelaufen: Der realisierte Gewinn bleibt steuerfrei und ein Verlust dürfte insoweit nicht mehr mit Spekulationsgewinnen verrechenbar sein.
2. Die 2-jährige Spekulationsfrist war noch nicht abgelaufen: Es bleibt dabei, dass das Geschäft § 23 EStG unterliegt und Verluste mit anderen Spekulationsgewinnen verrechenbar sind.

zwischen 1.4.1999 und 31.3.2009:

Hier sind drei Fälle zu unterschieden:
1. Die 2-jährige Spekulationsfrist war bereits abgelaufen und es liegt ein Gewinn vor: Der realisierte Gewinn bleibt insoweit steuerfrei, als er auf Wertzuwächse bis zum 31.3.1999 entfällt. Insoweit muss eine zeitliche Zuordnung in steuerfreie und steuerpflichtige Gewinnanteile erfolgen.
2. Die 2-jährige Spekulationsfrist war bereits abgelaufen und es liegt ein Verlust vor. Das realisierte Minus dürfte insoweit nur zeitanteilig verrechenbar sein, soweit es in der Zeit vor dem 1.4.1999 entstanden ist. Dabei kann sich die Konstellation ergeben, dass auf den einen Zeitraum ein Gewinn und den anderen ein Verlust entfällt.
3. Die 2-jährige Spekulationsfrist war noch nicht abgelaufen: Es bleibt dabei, dass das Geschäft § 23 EStG unterliegt und Verluste mit anderen Spekulationsgewinnen verrechenbar sind.

ab dem 1.4.2009: Die 10-Jahres-Frist ist für alle Altfälle ausgelaufen, sodass sich keine Auswirkungen mehr ergeben.

Wichtig!

Eine Steuerfreistellung von Gewinnen in Altfällen ist aber nur möglich, wenn die entsprechenden Einkommensteuer- oder Feststellungsbescheide noch änderbar sind. Da die Bescheide trotz der anhängigen Verfahren zu diesem Punkt nicht vorläufig ergangen waren, gelingt das also nur in Fällen, die die Betroffenen über einen Rechtsbehelf ruhend gestellt hatten oder die aus anderen Gründen noch offen sind.

(C) Haufe.Immobilien